Königsträume

Hans König, genannt der Glückliche, hatte wieder einmal einen Job angenommen. Eine einfache Arbeit war das im nahe gelegenen Einkaufszentrum um ein paar Scheine zusätzlich zu verdienen. Schließlich verschlangen die vielen, meist ehrenamtlichen Verpflichtungen wie Unterwasserparaden, der notwendige Prunk bei Empfängen von außerirdischen Delegationen, die zahllosen Bälle und anderen Festlichkeiten Unsummen, die er sich einfach nicht mehr leisten konnte.

Nur selten erkannte ihn irgendjemand in seiner schlichten, grauen Uniform, die ihm sein neuer Arbeitgeber gestellt hatte und die er während der Arbeit tragen mußte. Und wenn doch, dann glaubten diese Leute, er sei ein schlecht bezahltes Double seiner selbst – engagiert um die Attraktivität des Einkaufszentrums zu erhöhen. Er war tatsächlich schlecht bezahlt, aber das Original.

Die Kunden des Kaufhauses bekamen – egal was sie erwerben wollten – nach dem Bezahlen an einer der Kassen immer nur kleine graue Zettel ausgehändigt. Auf denen war, verfaßt in ägyptischen Hieroglyphen, angeblich notiert, was sie sich ausgesucht hatten. Angeblich notiert daher, weil den Wahrheitsgehalt kaum jemand überprüfen konnte. Denn wer beherrscht heutzutage noch die alte Bilderschrift vom Nil?

König Hans wurde hier hauptsächlich als Bote eingesetzt. Ab und an musste er auch an einer der Kassen aushelfen und mit Hieroglyphen beschriftete Zettelchen verpacken. Meistens aber hetzte er von Abteilung zu Abteilung und brachte den Verkäufern die Ideen der Waren aus den weitläufigen Lagerhallen, die die Kunden notiert haben wollten. Es war ein verantwortungsvoller und vor allem auch schwieriger Job.

Leider verwechselte König Hans zweimal hintereinander die Hieroglyphen für Zwerglinsen in der Dose mit denen für ein bestimmtes Färber-Blau, das viele Hausfrauen gerne kurz vor Weihnachten erwarben um daheim für ihren Ehemann mit Seidenmalerei versehene Krawatten anzufertigen. Es hagelte Beschwerden, von denen besonders die zweite äußerst schwerwiegend war. Ein aufgebrachter Mediävist erläuterte der Geschäftsführung im Beisein des Königs lautstark, dass sich beim Verzehr des Zettels nicht nur Lippen, Mundhöhle, Zunge und Zähne tiefblau verfärbt hatten, was auch noch gut zu sehen war, sondern auch auf Tage hinaus das, was bei ihm hinten wieder herausgekommen war.

Entnervt gab König Hans den Job wieder auf und beschloss stattdessen die Staatsausgaben drastisch zu drosseln.

Ein sich beschwerender Mediävist, der Geschäftsführer und König Hans wendet sich ab.